Hannoversche Erklärung zum Jahresforum 2015

Region Hannover, 09.06.2015

Hannoversche Erklärung zum Jahresforum 2015 

Lernallianzen im Übergang Schule – Beruf:
Arbeit und Lernen produktiv verbinden

Arbeit und Lernen produktiv verbinden: Das ist ein altes Thema, aber es ist zugleich von Aktualität und Dringlichkeit. 

 

Mit ihrem Jahresforum in der Region Hannover geht die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative  erneut darauf ein – diesmal aber als eine Frage der pädagogischen Gestaltung. 

 

Dabei wird das von der Region Hannover entwickelte Konzept der Lernallianzen aufgenommen und mit dem Ansatz der „Kommunalen Koordinierung“ verbunden.

 

Die Rede von Lernallianzen meint eine enge, vernetzte und abgestimmte Zusammenarbeit der verschiedenen Lernorte und Akteure, die an der Gestaltung sowohl der Berufsorientierung und des Übergangs in die Berufsausbildung als auch an dieser selbst beteiligt sind: also Sekundarschulen und Betriebe, aber auch die Agentur für Arbeit, Kammern und Verbände, und vor allem auch die Berufsschulen. Auf die Berufsschulen als eine zentrale Bildungseinrichtung im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt muss besonderes Augenmerk gelegt werden. 

 

Beim Übergang Schule - Beruf handelt es sich um einen langen biografischen Prozess, der mehr oder weniger in der 7. Jahrgangsstufe beginnt und erst endet, wenn die jungen Leute gut in eine qualifizierte Arbeitstätigkeit eingemündet sind. Während dieser gesamten Phase müssen sich Lernallianzen um eine produktive  Beziehung zwischen den Lernorten Schule und Betrieb bemühen und hierbei gegebenenfalls noch weitere Lernorte integrieren. Wichtig ist dabei eine individuell differenzierte  Lernbegleitung, damit die Bildungsbedarfe und Entwicklungswünsche jedes und jeder Einzelnen zu ihrem Recht kommen.  

 

In diesem Sinne handelt es sich bei Lernallianzen zugleich um ein institutionelles Netzwerk und um eine pädagogische Arbeitsgemeinschaft. 

 

Warum ist dies aktuell und dringlich? Berufsausbildung wird als ein solider Weg in eine qualifizierte Berufstätigkeit mit weiteren Bildungs- und Karriereoptionen angesehen. Große Teile der Wirtschaft und auch Städte und Regionen setzen in ihrer Standortpolitik, aber auch als eine Perspektive für die nachwachsende Generation, auf sie. Aber sie verliert zunehmend an Gewicht. 

 

Je nach Wirtschaftsbereich geht die Zahl der ausbildenden Betriebe und der Ausbildungsplätze zurück oder stagniert oder wächst mit wirtschaftlicher Expansion nicht mit. Für viele derjenigen jungen Leute, auf die die Betriebe in den letzten zwanzig Jahren zurückgegriffen haben – vor allem die schulisch Leistungsstarken - ist Berufsausbildung gegenüber Abitur und Studium nicht mehr attraktiv genug. 

 

Einer der Gründe ist, dass Berufsausbildung nach wie vor nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten doppelt qualifiziert, also einen Ausgang sowohl zur Fachtätigkeit als auch zum Studium hat. 

 

Anderen ist der Zugang zu einer Ausbildung nach wie vor erschwert oder versperrt, weil sie den Auswahlgesichtspunkten von Betrieben nicht genügen. Auf eine Vielfalt in der Ausbildung, die der Zusammensetzung der Jugendlichengeneration entspricht, die jetzt ihre Schule beendet, sind viele Betriebe nicht hinreichend eingestellt und vorbereitet.

 

Alle Jugendlichen betrifft, dass ihre Berufsorientierung insofern unzulänglich ist, als in ihr nach wie vor der Lernort Betrieb nur punktuell oder nur einseitig oder in unzulänglicher Qualität vorkommt und zu wenig in eine übergreifende, schulisch verantwortete Berufsorientierung eingebettet ist. Dies erschwert ihnen, sich breit und vor allem praktisch zu orientieren und damit für sich eine solide und lebbare Berufswahlentscheidung zu treffen.

 

 

 

Die Duale Berufsbildung ist zwar über das Vorhandensein zweier Lernorte, nämlich von Betrieb und Berufsschule, definiert;  faktisch aber ist die pädagogische Verknüpfung zwischen den beiden Lernorten in vielen Fällen eher schwach. Dies führt u.a. dazu, dass das Bildungspotenzial, das in der Arbeit liegt, nicht vollständig gehoben werden kann, mit Folgewirkungen bis zum Misserfolg im berufsschulischen Teil. Seit Jahrzehnten setzten Modellversuche immer wieder hier an, ohne durchschlagende, das heißt flächendeckende Wirkung erzielen zu können.

 

Diese wenigen Hinweise verdeutlichen: der beruflich - betriebliche Bildungstyp, in Deutschland aufs Engste mit dem „Dualen System“ verbunden, ist in einer schwierigen Situation, die vor Ort allein nicht gelöst werden kann. Aber sie kann verbessert werden, wenn sich vor Ort Verantwortungsgemeinschaften für die Gestaltung des langen Übergangs bilden. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese sich auch als pädagogische Arbeitsgemeinschaften verstehen, die das Verhältnis von Arbeiten und Lernen erneut produktiv und mit Blick auf die heutigen Verhältnisse bestimmen und gestalten.  

 

In diesem Sinne bezieht sich Lernallianzen nicht nur auf das Lernen der Jugendlichen, sondern auf die Allianz selbst als „lernendes Netzwerk“. 

 

Ein solcher komplexer Ansatz verlangt nach kontinuierlicher Anregung und Koordinierung. Hier kommt die Kommunale Koordinierung ins Spiel. Schon seit dem Jahresforum der Arbeitsgemeinschaft 2012 in Kiel bezieht sich die Aufgabe der Kommunalen Koordinierung auf den langgestreckten Übergangsprozess. Kommunale Koordinierung wird also ihren Horizont bis zum „guten Ankommen in Beschäftigung“ erweitern und sich auch (berufs-) pädagogischen Fragen öffnen müssen. Hierzu braucht sie neue Partner und fachliche Unterstützung, die sie sich vor allem lokal bzw. regional sichern kann.

 

Mit dem Ansatz Lernallianzen wird vor allem auf eine Klammer zwischen perspektivreicher Berufsorientierung und erfolgreicher Berufsausbildung gezielt. Das ist nicht unproblematisch, weil eine solche Klammer nicht  darauf hinauslaufen darf, Jugendliche in bestimmte Richtungen und Berufe zu drängen. Es geht vielmehr im Gegenteil immer darum, sie in ihrer Orientierungs- und Entscheidungsfähigkeit zu stärken. 

 

 

 

Dies macht ihre eigene Teilhabe an der Gestaltung und damit auch an der Kommunalen Koordinierung in einer angemessenen Form erforderlich; hier schließt diese Erklärung direkt an zentrale Aussagen der „Kreis-Offenbacher-Erklärung“ aus dem Jahr 2014 an. 

 

Ulf-Birger Franz
Regionsrat Region Hannover

Heiner Bernhard
Oberbürgermeister von Weinheim (Bergstr.),
Sprecher der Arbeitsgemeinschaft

Stefan Skora
Oberbürgermeister von Hoyerswerda,
Sprecher der Arbeitsgemeinschaft

Dr. Wilfried Kruse
Koordinator der Arbeitsgemeinschaft
Hannover und Weinheim, den 22. Mai 2015

 

Sie können die Hannoversche Erklärung als PDF-Dokument hier rechts bei den Anlagen herunterladen.