„Länder und Kommunen: Übergangs-Partnerschaft?“

Dr. Wilfried Kruse, Koordinator Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative, 01.10.2013

Die Länder Hamburg und NRW sind dabei, den Übergang von der Schule in die Arbeitswelt landesweit neu zu gestalten. Dabei kennt das „Neue Übergangssystem“ in NRW  als einen zentralen Baustein die „Kommunale Koordinierung“. In Schleswig-Holstein ist eine „inhaltliche und organisatorische Neuausrichtung“ des Übergangs Schule – Arbeitswelt in Vorbereitung, die den dort eingeschlagenen Weg einer Koordinierung vor Ort auf der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte bestätigen wird. Im Freistaat Sachsen wird „kommunale Koordinierung“ durch Kreise und kreisfreie Städte für Aktivitäten zur Berufsorientierung gefördert – mittlerweile fast flächendeckend.

Die in Baden-Württemberg laufenden Anhörungen befassen sich ebenfalls intensiv mit den Ansätzen Kommunaler Koordinierung, unter anderem auch am Beispiel von in der Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative mitarbeitenden Städten, wie Stuttgart, Mannheim, Freiburg und Weinheim.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Initiative der Bertelsmann Stiftung, an der – neben der Bundesagentur für Arbeit – schließlich acht Bundesländer mitarbeiteten und in der es um eine „Neusortierung“ des Übergangs Schule-Arbeitswelt ging. Dort blieb allerdings die Rolle der Kommunen unterbelichtet.

Es ist also auch auf der Ebene der Länder in den letzten Jahren viel in Bewegung gekommen!  

Kommunale Koordinierung beim Übergang Schule – Arbeitswelt: das ist das Markenzeichen der „Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative“. Weil dieser Ansatz immer mehr Anerkennung und Umsetzung findet, ist „Kommunale Koordinierung“ nun auch zum Leitbegriff unserer Homepage geworden. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen stimmen; die Arbeitsgemeinschaft setzt sich deshalb für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kommunale Koordinierung ein.

Wichtige Rahmensetzer für den Übergang von der Schule in die Arbeitswelt und damit auch für Kommunale Koordinierung sind die Länder, und zwar in verschiedener Hinsicht:
 

  • Zum einen, weil bei ihnen im Rahmen der föderalen Struktur die Zuständigkeit für das öffentliche Bildungssystem liegt, außerdem berühren weitere Landespolitiken den Übergang direkt oder indirekt,
  • Zum anderen, weil die Länder den Handlungsrahmen der Kommunen wesentlich beeinflussen.


Die Länder sind also dafür, ob und wie Kommunale Koordinierung ihre Rolle gesichert und dauerhaft finden kann, von erheblicher Bedeutung. Auf der anderen Seite sehen immer mehr Städte und Kreise, dass die Mitgestaltung gelingender Übergänge und von Bildung insgesamt  im kommunalen Eigeninteresse liegt. Zunächst war dies vor allem sozialpolitisch motiviert, nämlich, um die Folgelasten nicht gelingender Übergänge und misslungener Bildungswege zu vermeiden. Mittlerweile treten weitere starke Motive hinzu: Bildung als Lebensqualität und Standortfaktor, verstärkt durch Erfordernisse nach Fachkräftesicherung. Schon die Aachener Erklärung des Deutschen Städtetags manifestierte das wachsende Interesse der Kommunen an Bildung manifestiert und seine Münchner Bildungskonferenz im Herbst 2012 hat dies bekräftigt.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Idee, wonach die Kommunen in diesem Feld lediglich Umsetzer von Landespolitik sind, überholt. Vielmehr geht es darum, das Verhältnis von Arbeitsteilung und Kooperation zwischen Ländern und Kommunen im Feld von Übergang und Bildung neu auszutarieren. „Gemeinsame staatlich-kommunale Verantwortung“ wäre eine der Formeln, dies auszudrücken. Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative hat in einer ihrer Positionierungen schon vor geraumer Zeit „Augenhöhe“ zwischen Kommunen und Ländern in diesem Handlungsfeld reklamiert. Die Freiburger Erklärung 2013 nimmt diese Frage ebenfalls auf.

Aus unserer Sicht wird Augenhöhe und eine ihr folgende Rollenklärung für die Kommunale Koordinierung zu einem wichtigen Gestaltungskriterium der entstehenden Landessysteme zum Übergang Schule – Arbeitswelt. Hierfür ist z.B. in NRW – so weit erkennbar – noch keine adäquate Lösung gefunden worden, die sich in entsprechenden Vereinbarungen konkretisiert hätte. Dort steht nach wie vor das Lokale als Umsetzungsebene von Landespolitik im Vordergrund. Hamburg als Stadtstaat bearbeitet – so weit erkennbar – das Zusammenspiel von Landes- und kommunaler, heißt dort: bezirklicher Ebene nur am Rande.

Für Flächenländer wie Schleswig-Holstein, Sachsen und Baden-Württemberg ist ein funktionierender Mehr-Ebenen-Ansatz aber von großer Bedeutung. Als „Seitenstück“ lohnt es sich vielleicht, einen Blick auf Hessen und das dortige Hessencampus–Vorhaben zu werfen. Dort geht es zwar um Bildung für Erwachsene, aber eine hierfür als notwendig erachtete enge Verknüpfung von Volkshochschulen und Beruflichen Schulen setzt eine faire Bildungspartnerschaft zwischen Land und Kommunen voraus, die über ein System von Vereinbarungen ausgestaltet wird.
 
In diesem Jahr laufen auch einschlägige Bundesprogramme aus, die auf die Stärkung von kommunaler Bildungskoordinierung zielten. An das auslaufende Vorhaben Lernen vor Ort  wird ein anspruchsvolles Transferprogramm angeschlossen,  dessen Kern die Gründung von Agenturen für Kommunales Bildungsmanagement ist, die regionalisiert die gesamte Republik abdecken sollen. Die wichtige Frage wird sein, ob und wie sich diese Agenturen in die mittlerweile gewachsenen Strukturen – eben auch jenen zwischen Kommunen und Ländern – konstruktiv einfügen.

Dr. Wilfried Kruse, Koordinator Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative