Aktuelle Erklärung zu „Corona-Krise und Ausbildungsnot"

13.05.2020

Corona-Krise und Ausbildungsnot

Als Folge der Corona-Krise droht 2020 und in den Folgejahren eine neue Ausbildungsnot, und dies vor dem Hintergrund einer schon vorher sinkenden Anzahl betrieblicher Ausbildungsplätze. Die Folgen für die Betroffenen, die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt wären dramatisch.

Die neue Ausbildungsnot wird die Kommunen in besonderer Weise herausfordern. Kommunale Bildungskoordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft sind erprobte Praxis. Sie zu nutzen und ihre Aufmerksamkeit auf die drohende Berufsnot zu richten: das ist das Gebot der Stunde, trotz der erwarteten äußerst schwierigen finanziellen Lage der Kommunen. Alle Maßnahmen zur Vermeidung und Abmilderung der Ausbildungsnot müssen einschließen, die kommunale Handlungsfähigkeit in diesem Feld zu sichern. 

„Es darf 2020 keinen Jahrgang Corona geben“: das erklärte Detlef Scheele, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Anfang Mai. Die Gefahr allerdings ist groß. Viele Ausbildungsbetriebe sind in Kurzarbeit, manche fürchten um ihre Existenz, ob sie noch Ausbildungsplätze besetzen werden, ist unsicher. Die Corona-Krise begann zudem in dem Zeitraum, in dem die Ausbildungsverträge für den Ausbildungsbeginn 2020 unterzeichnet werden. Für viele junge Menschen mit der Perspektive auf Berufsausbildung bedeutet dies Unsicherheit. Erwartbar ist auch, dass sich aufgrund der Turbulenzen um die Abiturprüfungen 2020 vermehrt Studienberechtigte für einen Ausbildungsplatz interessieren werden. 

Der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen steht ein betriebliches Angebot gegenüber, das schon 2019 weiter gesunken war – und eben mit der Corona-Krise und der in der Folge erwarteten Wirtschaftskrise weiter zu sinken droht. 2019 bilden nur noch 19,7 Prozent der Betriebe überhaupt aus; vor zehn Jahren waren es immerhin 23,3 Prozent. 

Die Corona-Krise wird die schwierige Lage auf dem Ausbildungsmarkt noch verschärfen. Es droht also 2020 und in den Folgejahren eine neue Ausbildungsnot. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass dies jene Jugendlichen besonders hart trifft, die sich ohnehin schon in sozialen Benachteiligungslagen befinden. Die Folgen für die Betroffenen, die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt wären dramatisch: einer Ausbildungslosigkeit folgen oft prekäre Arbeitsverhältnisse, bei denen die Basis für eigenständige Lebensführung immer wieder ins Wanken geraten kann., Zurückgehende Ausbildungszahlen gefährden das in Zukunft erforderliche Fachkräftepotenzial. Anhaltende und sich verbreiternde berufliche Benachteiligungen verschärfen die soziale Spaltung der Gesellschaft. 

Die neue Ausbildungsnot wird die Kommunen in besonderer Weise herausfordern. Denn die Folgen fallen ihnen buchstäblich „vor die Füße“ Sie werden in den Kommunen sichtbar und sie müssen in den Kommunen gelöst werden. Kommunen handeln im gesamtgesellschaftlichen Interesse.  Für die Bürgerinnen und Bürger zeigt sich die soziale und demokratische Qualität unseres Gemeinwesens vor allem vor Ort. 

Gelingende Bildungsbiografien insgesamt sind ganz ausdrücklich im Interesse der Kommunen. Deswegen engagieren sich Städte und Kreise immer stärker für und in Bildung. Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative, ein bundesweiter Zusammenschluss von Städten und Kreisen, setzt sich seit über zehn Jahren für Kommunale Bildungskoordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft im Übergang von der Schule in die Arbeitswelt ein; auch während der letzten Jahre, in denen dieses Thema nicht mehr „on top“ auf der kommunalen Agenda stand. Kommunale Koordinierung und Lokale Verantwortungsgemeinschaft sind unverzichtbar, weil sie dafür sorgen, dass die lokalen Potenziale in enger Zusammenarbeit aller mobilisiert und zielgerichtet eingesetzt werden.

Kommunale Koordinierung oder Kommunales Übergangsmanagement steht als eine formal freiwillige Leistung immer auf dem Prüfstand und dies insbesondere dann, wenn die kommunalen Haushalte besonders belastet sind. Im Zuge und in der Folge der Corona-Krise droht den Kommunen eine dramatische finanzielle Notlage. Dies wird mit dem Zwang zu Einsparungen einhergehen. Angesichts der neuen Berufsnot wäre es fatal, Kommunale Koordinierung bzw. Kommunales Bildungsmanagement aufzugeben oder einzuschränken. Im Gegenteil: Die Kommunale Bildungskoordinierung muss weitergeführt und womöglich reaktiviert, und ihre Aufmerksamkeit muss auf die Folgen der Corona-Krise und vor allem auf die drohende neue Berufsnot gerichtet werden.  Forderungen nach einem Schutzschirm für Ausbildung und zur Vermeidung sozialer Benachteiligungen für junge Menschen im Übergang von der Schule in Beruf und Studium müssen stets auch die Sicherung der kommunalen Handlungsfähigkeit in diesem Feld einschließen.

Heiner Bernhard
Oberbürgermeister a.D., Sprecher der Arbeitsgemeinschaft

Stefan Skora
Oberbürgermeister Hoyerswerda, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft

Dr. Wilfried Kruse
Koordinator  

Weinheim, den 12.Mai 2020

Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative – gegründet 2008 - ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Städten und Landkreisen. Sie steht für Konzept und Praxis Kommunaler Koordinierung bei der Gestaltung der Übergänge Schule – Arbeitswelt und gelingender Bildungsbiografien „vor Ort“.  Die Arbeitsgemeinschaft sieht für sich zwei zentrale, miteinander eng verbundene Aufgaben: sich „anwaltschaftlich“ für die Anerkennung von Kommunaler Koordinierung und gute und förderliche Rahmenbedingungen einzusetzen, und die fortlaufende Verbesserung der lokalen Praxis zu unterstützen. Die bisher in der Arbeitsgemeinschaft mitwirkenden Kommunen kommen aus verschiedenen Bundesländern und gehören unterschiedlichen kommunalen „Typen“ an: es sind Großstädte, kreisangehörige Mittelstädte und Kreise.
www.kommunale-koordinierung.de 

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