Freiburger Erklärung 2013

Freiburg, 28.02.2013

FREIBURGER ERKLÄRUNG DER „ARBEITSGEMEINSCHAFT WEINHEIMER INITIATIVE“ ANLÄSSLICH IHRES JAHRESFORUMS IN FREIBURG (BREISGAU) AM 28.2./1.3.2013


ÜBERGANG SCHULE – ARBEITSWELT ALS BILDUNGSBIOGRAFISCHE WEICHENSTELLUNG UND: KOMMUNALE KOORDINIERUNG ALS DAUERHAFTE AUFGABE.


Fünf Jahre Arbeitsgemeinschaft

Vor fünf Jahren gründete sich die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative, um Jugendlichen beim Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung zu helfen. Die in der Initiative mitarbeitenden Städte und Landkreise wiesen damit auf die Folgen nicht gelingender beruflicher Integration hin: Auf  erhebliche soziale Folgekosten, und auf den Verlust von Zukunftsfähigkeit und die Gefährdung der Lebensqualität und des sozialen Zusammenhalts.

Vorrangige Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft ist es, die Selbsthilfe der beteiligten Städte und Kreise bei der kontinuierlichen Verbesserung der Arbeit „vor Ort“ zu unterstützen. Daneben fordert die Weinheimer Initiative, die Rahmenbedingungen für Kommunen so auszugestalten, dass es für sie dauerhaft möglich ist,  größtmögliche Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf zu leisten


Übergang als wichtige bildungsbiografische Weichenstellung

Die Motivlage ist auch nach fünf Jahren und unter veränderten Vorzeichen auf dem Ausbildungsmarkt nicht anders geworden. Der Blick auf die Übergänge und das Verständnis der Gestaltungsaufgaben haben sich allerdings erweitert. Stand zu Beginn die individuelle Förderung benachteiligter Jugendlicher im Zentrum, so richtet sich das Augenmerk heute auch und verstärkt auf die Qualität des Übergangsgeschehens und der an ihm beteiligten Institutionen.

Zugleich endet die Aufmerksamkeit nicht an der „Ersten Schwelle“, also dem unmittelbaren Schritt von der Schule in Ausbildung, sondern richtet sich auf einen längeren Zeitraum: Von einem gelungenen Übergang von der Schule in das Arbeitsleben kann nämlich erst dann die Rede sein, wenn die jungen Erwachsenen so gut in der Arbeitswelt angekommen sind, dass ihre Einstiegsbeschäftigung eine ausbaubare Basis für eigenständige Lebensführung und berufliche Weiterentwicklung abgibt. Zukunftschancen für den Einzelnen und die Zukunftsfähigkeit der lokalen bzw. regionalen Wirtschaft hängen im hohen Maße auch davon ab, welche Qualität die Berufsausbildung hat und ob man nach ihrem Abschluss gut im Arbeitsleben ankommt. Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen kommen damit als wichtige Institutionen und Akteure im Übergang stark in den Blick.  

Der in diesem erweiterten, ganzheitlichen Sinne verstandene Übergang von der Schule in die Arbeitswelt  ist eine wichtige bildungsbiografische Weichenstellung. Dieses  biografische Gewicht und ihr individueller und gesellschaftlicher Charakter als „Weichenstellung“ machen die Übergangsgestaltung zu einer dauerhaften eigenständigen Aufgabe von hoher Priorität.


Kommunale Koordinierung als Daueraufgabe

Der Deutsche Städtetag hat in seiner „Münchner Erklärung“ mit dem Titel Bildung gemeinsam verbessern!, die auf seinem Bildungskongress am 8./9.November 2012 in München bekannt gemacht wurde, die gesellschaftliche Bedeutung der kommunalen Bildungslandschaften und eines dauerhaften kommunalen Bildungsmanagements unterstrichen.

Die Arbeitsgemeinschaft erklärt hierzu: Im Rahmen einer übergreifenden, an gelingenden Bildungsbiografien orientierten kommunalen Bildungsverantwortung, wie sie der Städtetag in der „Münchner Erklärung“ formuliert, bleibt Kommunale Koordinierung im Übergang Schule – Arbeitswelt ein unverzichtbarer, eigenständiger, aber in die Gesamtgestaltung eingebetteter Baustein.

Kommunale Koordinierung war und ist die Formel, für die die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative steht. Sie drückt aus, dass die Städte und Kreise aufgrund ihrer Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl sich dazu verpflichtet sehen, federführend im Rahmen einer lokalen Verantwortungsgemeinschaft aller einschlägigen Akteure tätig zu werden. Kein anderer Akteur vor Ort verfügt über diese unbezweifelbare breite Legitimation – auch und vor allem gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.


Verstetigung als zentrales Ziel – auch bei Förderprogrammen und Transfers

Für eine dauerhafte Übernahme kommunaler Koordinierungsverantwortung müssen die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dafür sind Förder- und Transferprogramme etc. nicht ausreichend; diese können allenfalls dazu dienen, Aktivitäten anzuschieben; deren Verstetigung jedoch muss das eigentliche Ziel sein .
Dies  ist auch deswegen von erheblicher dringlicher Aktualität, weil gegenwärtig große einschlägige Förderprogramme zu Ende gehen oder in Transferphasen einmünden bzw. in einer Reihe von Bundesländern „neue Übergangssysteme“ entstehen.
Nachdem in den vergangenen Jahren  „Übergang“ auf der kommunalen Ebene zu einem Mainstream-Thema geworden ist, weil sich die Städte und Kreise aufgrund der vor Ort gegebenen Problemlagen dem gar nicht entziehen konnten, erwartet die Arbeitsgemeinschaft, dass Transferprozesse „auf Augenhöhe“ unter partnerschaftlicher Anerkennung und Beteiligung konzipiert werden. Dies gilt auch für die im Rahmen des Programms „Lernen vor Ort“ geplanten Transferagenturen.


Landesregelungen erforderlich

Vor allem aber ist hervorzuheben, dass solche Transfers, wie immer sie auch organisiert werden, nichts an dem Grundtatbestand ändern, dass die Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Übernahme kommunaler Koordinierungsverantwortung nach wie vor nicht stimmen. Hier kommt den Ländern „als Partner Kommunaler Koordinierung“ – wie eine Positionierung der Arbeitsgemeinschaft aus dem Jahr 2011 überschrieben ist – eine besonders wichtige Rolle zu, sind sie doch für die Kommunen in vieler Hinsicht Rahmensetzer. Dies wird auch in der „Münchner Erklärung“ des Städtetags unterstrichen, wenn es dort heißt: „Die zukunftsfähige Weiterentwicklung des Bildungssystems kann durch ein kommunales Engagement allein ebenso wenig erreicht werden wie durch die Länder oder den Bund. Vielmehr müssen diese drei Ebenen gemeinsam die Verantwortung für die Weiterentwicklung des Bildungswesens (…) wahrnehmen.“

Nachdem nun mehr als fünf Jahre eines systematischen Aufbaus von Strukturen und Prozessen lokaler Übergangsgestaltung hinter uns liegen, reichen Transfers von Erfahrungen und Erkenntnissen und zeitlich begrenzte Förderprogramme jedoch nicht mehr aus. Die Arbeitsgemeinschaft schlägt deshalb vor, gemeinsam mit den jeweiligen Landesregierungen zu prüfen, ob und wie landesgesetzliche Regelungen die Kommunale Koordinierung im Übergang Schule – Arbeitswelt dauerhaft fest als Teil des Gestaltungsauftrages der Kommunen etablieren und langfristig in eine Steuerungsfunktion überführen können – als ein wichtiger Bestandteil einer die komplette Bildungsbiographie umfassenden Bildungspolitik.

                 
Dr. Dieter Salomon                   
Oberbürgermeister der Stadt Freiburg   


Heiner Bernhard
Oberbürgermeister der Stadt Weinheim
Sprecher der "Arbeitsgemeinschaft"


Stefan Skora                       
Oberbürgermeister der Stadt Hoyerswerda       
Sprecher der "Arbeitsgemeinschaft"           


Dr. Wilfried Kruse
Dortmund
Koordinator der „Arbeitsgemeinschaft“