Grußwort zur Sitzung des Bildungsausschusses des Deutschen Städtetages am 11.4.2014 in Weinheim
Weinheim begeht dieses Jahr ein Jubiläum. Wir dürfen auf 750 Jahre als Stadt zurückblicken. In einer Urkunde aus dem Jahr 1264 fällt erstmals der Begriff „novum oppidum“. Das meint den Bereich, in dessen Mitte wir uns hier im Alten Rathaus befinden, das in der Renaissance als Kaufhaus am Marktplatz errichtet wurde.
Sie sind auch zur richtigen Jahreszeit und bei idealem Wetter(, / wenn auch bei nur reichlich durchwachsenem Wetter) hierher an die Bergstraße gekommen.
Im Frühling zeigt sich am deutlichsten, wie klimatisch günstiger wir hier leben. Die Blüten der Mandelbäume und der Japanischen Zierkirschen sind schon einem zarten Grün gewichen. Im Sommer wachsen Feigen und Kiwis, und in unseren Gärten und Parks kann man exotische Pflanzen bestaunen. Die gibt’s auch im mit über 60 Hektar größten sogenannten Exotenwald Europas.
Vielleicht haben wir Gelegenheit, das eine oder andere der Zwei-Burgen Stadt Weinheim heute Abend auf einem kleinen Rundgang anzuschauen. Das geht sehr schnell, denn wir sind mit unseren 43.000 Einwohnern keine Großstadt.
Weinheim liegt im nördlichsten Teil Badens und ist von Hessen „umzingelt“. Damit ist schon eine wichtige Rahmenbedingung unserer Bildungslandschaft angesprochen. Weinheim ist traditionell Schulstadt mit allen Schularten, incl. einem erfolgreichen Privatgymnasium und einem großen Dreisparten-Berufsschulzentrum in der Trägerschaft des Rhein-Neckar-Kreises, dessen größte Stadt Weinheim ist.
Weinheim versteht sich als „bildungsaktive Mittelstadt“. Wir sind eine „Bildungsregion“ und waren die erste Kreisangehörige Stadt, die vom Land Baden-Württemberg dieses Prädikat erhielt.
Das versetzt uns in die Lage, gemeinsam mit dem Regierungspräsidium und dem Staatlichen Schulamt mit größerer Durchschlagskraft als anderswo unsere Schullandschaft zu gestalten.
Die „Weinheimer Bildungskette“ ist dem interessierten Publikum in der Republik bekannt. Unser besonderes Augenmerk gilt hierbei schon lange den Übergängen.
Insbesondere koordinieren wir als Kommune die Aktivitäten am Übergang von der Schule in den Beruf. Das ist auch dringend nötig. Von Ringelnatz wissen wir nämlich: „Das Schwerste in des Lebenslänge – sind ganz bestimmt die Übergänge.“
Und damit wäre ich auch schon bei der Vorstellung der Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative, dessen Sprecher ich – gemeinsam mit meinem Kollegen Skora aus Hoyerswerda – seit einigen Jahren sein darf.
Mein Ziel ist es hierbei zu verdeutlichen, dass sich die Arbeitsgemeinschaft in enger Nachbarschaft zum Städtetag und zu den anderen kommunalen Spitzenverbänden versteht und sich von einem engen Zusammenwirken den größten Nutzen für alle verspricht.
Der Städtetag muss - auch im Feld Bildung - seine Mitglieder in einem weiten Spektrum von Themen, neuen gesetzlichen Initiativen, faktischen Entwicklungen und der jeweiligen kommunalen Betroffenheit vertreten.
Mit dem Bedeutungsgewinn der Kommunen in der Bildungspolitik nimmt diese Vertretung an Anspruch und Brisanz zu.
Der Städtetag ist also notwendiger Weise in einer Fülle von Fragen unterwegs und muss sich darin auch noch einmal nach Prioritäten orientieren, die oftmals von anderen, insbesondere von den Ländern gesetzt werden. Die Tagesordnungen und Debatten hier im Bildungsausschuss sind hierfür ein beredter Beleg.
Demgegenüber konzentriert sich die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative im Wesentlichen auf ein thematisches Feld, nämlich den Übergang Schule – Arbeitswelt, und auf einen strategisch – organisatorischen Ansatzpunkt, nämlich auf Kommunale Koordinierung.
Mit „Kommunaler Koordinierung“ ist die verantwortliche Federführung im Rahmen einer lokalen Verantwortungsgemeinschaft all derer gemeint, die zu gelingenden Übergängen Schule – Arbeitswelt beitragen können. Das Land NRW hat dieses Konzept in gewisser Weise bei seinem neuen Übergangssystem übernommen.
Die Chance, die in dieser thematischen und strategischen Konzentration liegt, besteht darin, dass wir uns in der Arbeitsgemeinschaft kontinuierlich und vertiefend mit Konzept und Praxis der lokalen Übergangsgestaltung befassen können, und zwar immer aus kommunaler Perspektive.
Bei uns sind Städte und Landkreise organisiert, auch die Region Hannover ist dabei. – Es sind im Augenblick um die 20 Gebietskörperschaften. Vertreten sind hier neben Weinheim unter anderem auch Dortmund, Freiburg, Hoyerswerda, Kassel und Mannheim.
Viele arbeiten schon seit 2007 aktiv mit und haben heute einen breiten Fundus an Erfahrungen und Expertise. Dieser Fundus wird in der Arbeitsgemeinschaft geteilt, damit wir alle besser werden. Aber er wird auch allen anderen Interessierten zur Verfügung gestellt. Hierzu dienen unsere Jahresforen, unsere neugestaltete Homepage und die verschiedenen Veröffentlichungen, z.B. unser Handbuch, Vorträge etc.
Auf diese Weise, so denken wir, kommt unsere Arbeit der kommunalen Gemeinschaft insgesamt zugute.
Unsere Erfahrungen vor Ort haben uns aber schnell gezeigt, dass die Kommunale Rolle in diesem Feld – wie in Bildung insgesamt – immer wieder an Grenzen stößt. Grenzen, die mit dem rechtlichen und materiellen Rahmen zusammen hängen, den vor allem die Länder uns setzen.
Kommunale Koordinierung im Übergang Schule – Arbeitswelt gilt rechtlich als freiwillige Leistung. Aber die Länder nehmen die Kommunen vielfach in die Pflicht, ohne sich selbst ausreichend zwischen den verschiedenen Ressorts zu koordinieren und ohne die Kommunen entsprechend auszustatten.
Dies ist etwas, was Sie alle kennen.
Von daher hat die Arbeitsgemeinschaft sich seit einiger Zeit auch die Aufgabe gegeben, sich öffentlich für förderliche Rahmenbedingungen für Kommunale Koordinierung einzusetzen. Plattform hierfür sind in der Regel die jährlich zum Jahresforum veröffentlichten Erklärungen, wie z.B. die letztjährige aus Freiburg.
Darin heißt es unter anderem: „Kommunale Koordinierung war und ist die Formel, für die die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative steht. Sie drückt aus, dass die Städte und Kreise aufgrund ihrer Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl sich dazu verpflichtet sehen, federführend im Rahmen einer lokalen Verantwortungsgemeinschaft aller einschlägigen Akteure tätig zu werden.
Kein anderer Akteur vor Ort verfügt über diese unbezweifelbare breite Legitimation – auch und vor allem gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.“
Hier berührt sich unsere Aktivität intensiv mit jener des Städtetages. Wir – also die AG WI - können nur auf ein Problem oder auf ein Erfordernis hinweisen.
Die Kraft und das Durchsetzungsvermögen hierzu haben wir nicht – und wir wollen es auch nicht haben. Das hat – wenn überhaupt – nur der Städtetag.
Unser nächstes Jahresforum findet am 8./9.Mai 2014 im Kreis Offenbach statt. Das ausführliche Programm ist auf unserer Homepage (www.kommunale-koordinierung.de) veröffentlicht und liegt bei Ihren Unterlagen.
Gerne würde ich Sie in diesem Zusammenhang auf zwei Punkte hinweisen. Wie jedes Jahr sind auch diesmal Vertreterinnen und Vertreter aus den Städtetagen und Landkreistagen herzlich eingeladen, mit uns unsere Erfahrungen zu teilen und unsere Einschätzungen zu diskutieren. Ich möchte diese Einladung auch ganz ausdrücklich an Sie alle aussprechen.
Das Jahresforum hat als thematischen Schwerpunkt Teilhabe. Mit Teilhabe sind hier ausdrücklich Aspekte wie Migration, Gender, Demokratie und bürgerschaftliches Engagement, kulturelle Teilhabe usw. angesprochen.
Es ist ein Merkmal unserer Jahresforen, dass wir uns jedes Mal ein Thema setzen, das zu einer Weiterentwicklung des Verständnis von Übergangsgestaltung beiträgt. So kann man die verschiedenen Themen unserer Jahresforen seit 2008 auch als eine stetige Überprüfung und Weiterentwicklung unseres eigenen Konzepts von Übergang und kommunaler Aufgabe in Bezug darauf lesen.
Um es noch einmal zu betonen: Die Arbeitsgemeinschaft Weinheimer Initiative ist in ihrem Selbstverständnis ganz nah beim Städtetag und wünscht sich einen noch intensiveren Austausch.
Wie dies aussehen könnte, haben einige von uns, die auch im Bildungsausschuss vertreten sind und unser Koordinator Wilfried Kruse in einem Treffen mit Klaus Hebborn beraten. Entstanden ist dabei die Idee eines kleinen gemeinsamen Arbeitsgesprächs als Auftakt für einen systematischeren Austausch.
Dieses Arbeitsgespräch soll die aktuelle Etablierung der Transferagenturen aus dem Programm „Lernen vor Ort“ zum Anlass nehmen, um der Frage nachzugehen: Welche Wissenstransfers werden „vor Ort“ gebraucht? Das Thema ist heute oder morgen ja auch auf unserer Tagesordnung.
Aber zunächst wünsche ich Ihnen für heute und morgen viele Erkenntnisgewinne und einen angenehmen Aufenthalt in Weinheim.